Ergonomie am Behandlungsstuhl - lebenswichtig für den Zahnarzt!

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Katastrophe - aber leider Realität (Symbolbild)

Ein Beitrag von Dr. Olaf Rauer, Hamburg

 

Als ich nach meinem Bandscheibenvorfall (BSV) 2013 regelmäßig zur Physiotherapie ging und jedes Mal festgestellt wurde, dass wieder mein Becken schief stand und meine Schultern verspannt waren, wusste ich:
Es muss sich definitiv an der Arbeitsweise am Behandlungsstuhl etwas ändern, sonst werden die Ursachen für Beckenschiefstand und Verspannungen in der Muskulatur nicht behoben.
Schließlich will ich noch 15 Jahre bis zu meiner Rente „bohren“.


Nach meiner Praxisgründung, vor 18 Jahren hatte ich mit meinem Praxisteam einmal einen Ergonomie-Kurs bei dem Kollegen Herrn Jens-Christian Katzschner besucht. Damals hatte ich mir kurz zuvor zwei neue Sirona-Einheiten und schöne, langlebige Stahlschränke gekauft. Die ergonomischen Tipps von der Fortbildung ließen sich damals anschließend in beiden neuen Behandlungszimmern leider nicht mehr richtig umsetzen. Es war zwar alles vom Dentaldepot eingerichtet worden, aber z.B. eine Behandlung in 12 Uhr-Position ließ der verbliebene Platz zwischen Kopfstütze und Schrank einfach nicht zu.

Außerdem ließ sich der Behandlungsstuhl auch nicht so hoch fahren, dass meine Beine darunter Platz fänden (übrigens bin ich 1,81 m groß und von schlanker Statur).

Der Dentalfachberater hatte mir, als Praxisneuling, also eine Praxiseinrichtung verkauft, die meiner Ansicht nach eine Gefahr eines späteren Rückenleidens in sich barg...

 

Höchste Zeit für Veränderungen

Es war höchste Zeit, wenigstens ein Behandlungszimmer nach ergonomischen Gesichtspunkten einzurichten, sonst würde sich sicher eine Verschlimmerung der Beschwerden oder gar ein neuer BSV einstellen, was bis hin zur Berufsunfähigkeit führen kann.


Wenn man aber mit diesem hohen Anspruch einem Dentalfachberater begegnet, macht der oft zunächst nur dicke Backen oder empfiehlt eine japanische Dentaleinheit: „Die ergonomisch-funktionale Behandlungseinheit Spaceline EMCIA aus dem Hause Morita“. Ich meldete mich damals sofort für einen teuren Wochenend-Kurs über die Emcia Behandlungs-Ergonomie nach Dr. Daryl Beach an und war von dem Konzept begeistert, weil bei einer Behandlung in 12 Uhr-Position der Rücken wirklich immer gerade bleibt.

Der Dentalfachberater versuchte auch gleich, diese japanische Behandlungseinheit bei mir an den Mann zu bringen, ohne nach weiteren Anforderungen an meine tägliche Behandlungsweise zu fragen.
Ergonomie in der Praxis ist aber weit mehr als nur der Stuhl. Die Praxismöbel müssen natürlich auch ergonomisch um den Stuhl herumgebaut werden. Und daraufhin wurde natürlich versucht, gleich neues Mobiliar mit zu verkaufen, obwohl es nur um eine Änderung von Abständen der Schränke zur Einheit ging.

Dabei fühlte sich jetzt auch dieser Dentalfachberater überfordert: Hier will jemand mal nicht etwas
„von der Stange“, sondern wünscht tatsächlich richtige Ergonomie!?
Außerdem hatte ich ja den Wunsch, nicht auf eine Intraoralkamera im Köcher verzichten zu müssen, damit ich auch hier nach einem ergonomischen Konzept die intraoralen Fotos machen kann.

Diese Fotos sollten auf Dauer unter der Sidexis-Software gespeichert werden, wo seit 2002 (also seit 15 Jahren (!)) auch die anderen Patientenbilder und Röntgenaufnahmen gespeichert sind.

Dies ließ sich aber nicht mit dem japanischen Behandlungsstuhl vereinbaren.

 

Es musste also wieder eine Sirona-Einheit werden.
Sirona wirbt seit 2013 mit der SINIUS TS: „Durch das besonders bewegliche Tragarmsystem können Zahnärzte die Einheit optimal an ihre individuellen Arbeitspositionen anpassen. Das erleichtert es Behandlern, jederzeit ergonomisch zu arbeiten.“ … und weiter …“Das Arztelement ist besonders gut für die Behandlung in der 12-Uhr-Position geeignet, lässt sich aber auch mühelos in jede andere Position bringen.“
Zumindest die Anbindung des Multimediasystems an Sidexis sollte hier möglich sein, weil sie vom selben Hersteller kommt.

 

Ergonomische Unterstützung - ein Muss

Unter diesen Voraussetzungen vereinbarte ich mit meinem Ergonomie-Spezialisten, Jens-Christian Katzschner, einen Termin im Dentaldepot mit meinem Dentalfachberater.

Dieser war offenbar sehr erstaunt, dass ich Verstärkung mitbrachte und wir sofort eine Behandlung am Patienten simulierten. Schnell stellte sich dabei heraus, dass das angebaute Tray am Arztelement nicht bleiben konnte, da es so die Höhe und die Nähe meiner Winkelstücke durch den eventuell etwas fülligeren Patienten bestimmt und das Verbindungsstück zum Tray so massiv ist, dass es bei der „ergonomischeren“ Einstellung gegen den Patienten stößt und stört.


Also schien mir die Einheit doch nicht so ergonomisch zu sein. Es musste folglich ein Schwebetray über dem Patienten angebracht werden, welches individuell verschoben werden kann.

Leider bietet genau das die Sirona aber nicht an!
Vorschlag des Dentalfachberaters: „Dann nehmen Sie doch die Sinius CS, die hat ein Schwebetray.“
Das war natürlich falsch, denn bei der Sinius CS befinden sich bei Behandlung in 12 Uhr-Position die Winkelstücke ebenfalls zu weit entfernt vom Behandler. Hier liegt es daran, dass es Sirona bis heute nicht gelungen ist ,die Verschiebebahn des Arztelementes soweit zum Kopfende fahren zu lassen, dass man mit ausgestrecktem Arm ein Winkelstück erreicht!

Ich frage mich wirklich, wer hier die ganze Zeit „entwickelt“ hat?


Christian Katzschner und ich waren uns einig: Das Tray darf nicht am Arztelement bleiben, und es muss, dann eben von einem anderen Hersteller, ein Schwebetisch angebaut werden.

Nach Angabe des Dentalfachberaters war diese Montage aber nur an der OP-Leuchten-Aufbaustange aufgrund dessen geringeren Durchmessers möglich. Diesen Kompromiss hielten wir für akzeptabel auch wenn das Tray vielleicht etwas farblich abweichen könnte.

 

Mein Rücken dankt es mir

Seit mehreren Monaten arbeite ich nun mit meinem Team an der individualisierten Sinius TS in 12 Uhr-Position und dabei kommt es natürlich hin und wieder zu Koordinationsproblemen mit meiner Assistenz, weil sich jeder erst an diese neue Behandlungsposition gewöhnen muss.
Was habe ich also getan, um den gesamten Behandlungsablauf an die neuen Begebenheiten anzupassen?

Ich habe das gesamte Team in der Praxis durch den Fachmann für Ergonomie schulen lassen: Christian Katzschner war begeistert von der Umsetzung unserer Vorgaben im Behandlungszimmer. Die Behandlungseinheit stand nun im richtigen Abstand zu den Schränken und ich konnte erstmals mit meinen Beinen unter den Behandlungsstuhl fahren. Nun feilten wir nur noch an der Feinabstimmung mit meiner Assistenz. Der Nachmittag für das „Finetuning“ hat sich wirklich gelohnt. Ich möchte bis zu meiner Rente nie wieder anders arbeiten, als aus der 12 Uhr-Position …

Mein Rücken dankt es mir und meine Mitarbeiterinnen sind begeistert von der entspannten Behandlungsweise. Dies wirkt sich natürlich auch positiv auf die Patienten aus.

 

Mein Tipp für alle Kollegen

Allen Zahnärzten, die noch in der Planungsphase eines neuen Behandlungszimmers sind, kann ich nur raten, sich nicht von Dentalfachberatern alles schön reden zulassen, sondern die Behandlung nach ergonomischen Gesichtspunkten selbst zu überprüfen und mit zu gestalten.

Wenn erst die Schränke und der Behandlungsstuhl stehen, kann nicht mehr viel geändert werden und Rückenprobleme scheinen sehr wahrscheinlich.

Bei mir traten diese Probleme erst nach 13 Jahren auf. Vielleicht hätte ich mich damals schon intensiver mit diesem Thema beschäftigen sollen und hätte dabei vor meiner ersten Praxiseinrichtung Christian Katzschner, als wirklichen Ergonomie-Berater, kennengelernt …


Dr. med. dent. Olaf Rauer